Nun ist eine Woche vergangen, und wir sind alle etwas schlauer.
In Deutschland bekommt man zwar in den Medien viele Warnungen, aber leider nur sehr wenig Erklärungen. Und es wird auch von Politikern oft Quatsch verbreitet. Heute zum Beispiel sagte einer im Fernsehen, nach einem positiven Testresultat sei Quarantäne angesagt. Womit er automatisch auch sagt, dass sie vorher nicht nötig ist, auch wenn man Symptome hat. Was aber grundfalsch ist. Richtigerweise hätte er sagen müssen, dass schon bei den ersten Anzeichen einer Erkältung strengste Quarantäne nötig ist.
Extrem unangebracht fand ich auch, als Herr Seehofer meinte, es sei geplant, dass nur Deutsche Staatsbürger einreisen dürfen. Als ein Reporter fragte, was mit Ausländern mit Aufenthaltstiteln ist, war er noch nicht einmal imstande, seinen Fehler zu korrigieren, er hat das Wort weitergegeben. Und der nächste konnte auch keine klare Antwort geben – ich glaube, er sagte „Wir sehen uns das an“. In diesen Zeiten sind solche Diskriminierungen extrem daneben. Es geht jetzt ums Zusammenhalten und nicht um die Spaltung der Gesellschaft.
Darum nun dieses. Natürlich sind alle Prognosen schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen …
Impfstoffe kommen zu spät
Ein Impfstoff kommt frühestens in 12 Monaten. Es gehen zwar jetzt schon welche in die Tests an Menschen (bei Schwererkrankten in China), aber es geht um eine ganz neue Klasse von Wirkstoffen. Damit sollen Gesunde geimpft werden, und wenn es da wesentliche Nebeneffekte gäbe, wäre das eine Katastrophe – weil sich dann zukünftig noch viel weniger Menschen impfen lassen würden. Darum kann es nicht schneller gehen. Außer in China und vergleichbaren Ländern, aber das hilft uns nicht.
Wenn es dann einen Impfstoff gibt, heißt das noch lange nicht, dass man ihn auch bekommt. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass manche Länder, in denen geforscht wird, den Impfstoff erst dann exportieren, wenn im eigenen Land alle versorgt sind. Deutschland ist aber in der Forschung sehr weit vorne. Stichworte CureVac, Trump, Biontec, New York Times, aber es gibt in der Richtung noch mehr.
Zeitlicher Verlauf der Pandemie ist steuerbar
Man weiß, dass mindestens 60% der Bevölkerung immun sein müssen, um größere neue Ausbrüche zu vermeiden. Die Frage ist, wie schnell man auf diese 60% kommt, solange es keine Impfung gibt. Das geht nur durch Infektionen. Also müssen etwa zwei Drittel der Bevölkerung sich anstecken, bevor Corona ihren Schrecken verliert!
Die große Frage ist nun, wie man den zeitlichen Verlauf gestaltet. Die meisten Regierungen versuchen, den so in die Länge zu ziehen, dass das Gesundheitssystem möglichst nie überlastet ist. Je stärker überlastet, desto mehr Tote.
In den Zeitungen gibt es schöne Grafiken mit zwei oder mehr unterschiedlichen Verlaufskurven. Da ist oft die Kapazität des Gesundheitssystems als waagerechte Linie eingezeichnet. Das ist nicht ganz richtig, die Kapazität steigt. Es wird ja viel vorbereitet. Aber wie der unten erwähnte Report auf Seite 8 zeigt, wird jedes Gesundheitssystem dermaßen überfordert sein, dass jede Steigerung nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Laut dem Report bestenfalls um das 8fache in England und USA, es kann also nur einer von 8 vernünftig behandelt werden, oder alle 8 nur ein bisschen.
Der aktuelle Report vom Imperial College London, das auch die britische Regierung berät, veröffentlicht diesen Montag, sagt zu den Infizierten: Bei 40-49-Jährigen sterben 6 von Tausend, bei über 80-Jährigen sterben 93 von Tausend, also 15mal so viele. Unter der Annahme, dass alle im Krankenhaus behandelt werden, was nicht möglich sein wird! Von den vorbelasteten Menschen (z.B. COPD, Diabetes, Bluthochdruck) werden sehr viel mehr sterben.
Aus diesem Report ergibt sich für die USA: Wenn man nichts tun würde, würden sich dort 80% infizieren. Es gäbe in 3 Monaten gegen 4 Millionen Tote, darunter 8-15% aller über 70 Jahre alten. Wird hier diskutiert: Slashdot
Wenn die Verbreitung völlig unterbrochen werden könnte, wäre das optimal, aber das ist in einer offenen Gesellschaft wie in Europa oder USA völlig unmöglich.
Also bleibt nur, die Verbreitung zu verlangsamen. Und das geht nur, indem man soziale Kontakte ganz massiv reduziert. Auch wenn man sich selber für ungefährdet hält. Was ich vor einer Woche ja auch schon schrieb.
Die Kehrseite: Je mehr man den Verlauf in die Länge ziehen will, desto einschneidender und gleichzeitig länger müssen die Beschränkungen sein. Noch werden die Beschränkungen von vielen gar nicht eingehalten. Es wird auch mit der Zeit immer mehr geben, die damit nicht zurecht kommen und sie dann nicht mehr einhalten. Es wird immer mehr Geldprobleme und Arbeitslose geben, das Risiko massiver sozialer Unruhen wird stark zunehmen., vor allem in Ländern mit schwachen Sozialsystemen. Es wird eine massive Rezession geben, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr hatten. Wie schnell sich die Wirtschaft danach erholen wird, ist ganz ungewiss. Weniger Wohlstand und mehr Unruhen bedeuten auch wieder weniger Lebenserwartung.
Wie lange dauert das?
Der oben genannte Report zeigt verschiedene Kurven, je nach Maßnahmenpaket. Für England ist der Höhepunkt ungefähr Mitte Mai, in den USA Anfang Juni, und die Kapazitäten vom Gesundheitswesen werden bis Mitte Juli überfordert sein.
Was tun, wenn man Symptome hat?
Die Unterschiede zum Schnupfen und zur Grippe sind zu Beginn minimal. Bei Corona kann, muss aber nicht, Atemnot hinzukommen. Darum besteht bei jeder Erkältung Corona-Verdacht, und Quarantäne ist angesagt. Möglichst strikt, so weit wie die persönlichen Verhältnisse das erlauben. Nur wenn das nicht geht, wenn man nicht zu Hause bleiben kann, sollte man sich testen lassen.
Wenn Atemnot, schnelles und flaches Atmen oder andere ungewöhnliche Effekte auftreten, sollte man den Arzt anrufen. Vorher nur, wenn man einen Test braucht. Je älter man ist, desto eher kann es passieren, dass der Arzt gar nichts tun wird außer der Empfehlung, strengste Quarantäne zu Hause einzuhalten. Das Gesundheitssystem wird nicht mehr alle behandeln können, siehe oben. In Italien ist das schon lange Realität, in Frankreich auch.
Ein Test ist dann nötig, wenn der Arzt vor der Entscheidung steht, ob man ins Krankenhaus soll. Vorher hat das Resultat keinen Einfluss auf die Behandlung. Und man nimmt mit dem eigenen Test anderen Leuten die Möglichkeit, getestet zu werden, bei denen es wichtiger ist, z.B. alle im Gesundheitswesen – ausreichend Testmittel wird es frühestens in Monaten geben.