Brevet London-Edinburgh-London 1440km am 30.7.17

1440 Kilometer waren zu bewältigen.

Technisches

Etwa 1500 Anmeldungen. Wie viele gestartet sind, weiß ich noch nicht. Provisorisches Resultat: Nur 810 sind in der erlaubten Zeit ins Ziel gekommen – was sicher vor allem am Wetter lag. Ich bin mit meinem neuen Titanrad gestartet, das sich sehr bewährt hat. Mit Scheibenbremsen (haben mir auf dieser Strecke sehr geholfen), 38mm Reifen, Übersetzung 50/34 und 11/42, Ultegra 11fach Di2. Die Batterie der Schaltung war nach etwa 1300km leer. Das ging auch anderen so – bevor ich das so kaufte, habe ich immer wieder gelesen, dass sie etwa 2000km halten soll. Aber auf dieser Strecke muss man auch häufiger schalten als auf anderen – sie ist sehr abwechslungsreich. Ich hatte den Ladeadapter für die Schaltung dabei – konnte ihn aber nicht nutzen, um unterwegs aus meinem USB-Lader zu laden – weil der nicht genug Leistung vom Dynamo bekam. Die Federkontakte im Lenkertaschenadapter, die den Strom in die Lenkertasche leiten, haben nach 3 Jahren nun im englischen Regen beschlossen, nicht mehr zu federn. Darum konnte ich auch meine beiden Handys nicht wie gewünscht laden, und darum fehlen mir in der Aufzeichnung Streckenteile An der letzten Kontrollstelle konnte ich mir dann einen USB-Lader leihen, um nachzuladen. Jedenfalls ist der neue Scheinwerfer auch nicht gut – wenn es holpert, springt das Licht sonstwohin, damit sieht man gerade auf schlechten Straßen bergab im Regen bei Gegenverkehr eigentlich gar nichts mehr. Und geholpert hat es viel … Grund ist der billige Plastik-Lampenhalter, den B&M mit diesem Top-Modell ausliefert. Ein ganz einfacher Lampenhalter für etwa 3 Euro, auch von B&M, löst das Problem.

Platten gab es viele, bei mir nur einen. Und der kam wohl nicht von außen. Ich hatte extra AntiPlatt-Einlagen zwischen Schlauch und Reifen, aber exakt an deren überlappendem Ende gab es in der Mitte der Lauffläche ein Loch. Vielleicht eben wegen dieser Kante … Schwalbe Ultralite war wohl dafür zu dünn. Und das Beste – den Platten habe ich erst bemerkt, als ich schon 5 Stunden im Ziel war. Campingplatz – Nachbarn (Hermann und Gabi aus dem Südtirol) hatten insgesamt neun Platten.

Körperliches

Die Voraussetzungen waren nicht optimal – dieses Jahr bin ich eher wenig gefahren. Aber dafür mehr Erfahrung – ich habe mich nie übernommen und keine Einbrüche gehabt, war auch nie so erschöpft wie auf manchen anderen Brevets. Natürlich war ich einer der langsamsten und bin darum fast immer alleine gefahren – aber das hat mich noch nie gestört.

Der Anfang war einfach und verleitete zum zu schnellen Fahren. Weshalb ich nach 245km in Louth eine längere Pause machen musste – Übelkeit drohte. Damit hatte ich aber auf dem Rest der Strecke keine Probleme.

Bis kurz vor Barnard Castle (472km) lief alles gut, aber dann hatte ich plötzlich ein sehr unangenehmes Ziehen im linken Oberschenkel, später auch in der Wade. Damit bin ich dann den nächsten Berg, den höchsten der Strecke, nur sehr langsam einbeinig hinaufgefahren. Bei der nächsten Kontrolle in Brampton (556km) habe ich dann offiziell aufgegeben und mir auch gleich online ein Ticket nach London gekauft. Mit sehr lieber Hilfe einer Helferin, die genau wusste, wo man das am einfachsten und günstigsten bekommt. Ohne Reservation für das Fahrrad geht da nichts. Abgebrochen hatte ich wegen des Beines, und weil die Finger meiner linken Hand permanent eingeschlafen waren und ich nichts Chronisches riskieren wollte. Die haben danach etwa 4 Monate gebraucht, um wieder ganz wach zu sein. Nun ja – 12 Stunden Pause, davon 8 geschlafen, und auf zum Bahnhof. Siehe da – das Bein war viel besser. Also zurück zur Kontrollstelle und die Aufgabe rückgängig gemacht. Damit hatte ich dann nicht mehr einen Vorsprung von 11 Stunden (in Barnard Castle), sondern einen Rückstand von 2 Stunden auf den Kontrollschluß. Aber etwa 200km später hatte ich dann wieder 3-4 Stunden Reserve, was auch bis kurz vor dem Ziel so blieb. Dort musste ich einen Teil im Wesentlichen mit nur einem Gang fahren, und das mit Knieschmerzen. Also viel gelaufen, was Zeit kostete. Insgesamt habe ich 115 Stunden gebraucht, 117 wären das erlaubte Maximum gewesen. Nach den langen 8 Stunden Schlaf in Brampton gab es darum auch nur noch vier ganz kurze Schlafpausen, „Power Naps“.

Wetter

Ja, das war sehr britisch. Windig war es immer, aber bis Edinburgh meist von hinten. Meistens stark, nur nachts weniger. Auf dem Rückweg kam er dann genauso von vorne. Donnerstag Nachmittag, in den Fens (der größten Ebene Englands) hat es dann ganz massiv schräg von vorne gestürmt, ich hatte große Probleme, noch eine einigermaßen gerade Linie zu fahren – bei solchem Wind bin ich noch nie Rad gefahren. Ich schätze Windstärke 8, in den Böen deutlich mehr.Das gab sich erst, als dann glücklicherweise wieder Hügel kamen. Das wird auch der Grund sein, warum viele zwar die ganze Strecke gefahren sind, aber nicht innerhalb der erlaubten Zeit.

Geregnet hat es auch oft, aber meistens nicht lange. Auf dem Rückweg hat es in tiefster Nacht im Norden der Lincolnshire Wolds ganz extrem geschüttet, die ganze breite Straße hat sich in einen Fluss verwandelt, und es gab viele tiefe Pfützen quer über die ganze Straße. Nicht nur für 5 Minuten – nein, etwa eine ganze Stunde lang. Als das vorbei war, hatten wir wolkenlosen Himmel, es wurde schnell kalt. Also in Louth (1172km) alle Kleidungsstücke in der Toilette am Hand-Trockner mehr oder weniger getrocknet.

Organisation

Die war hervorragend. Warten musste man fast nie auf etwas. An allen Kontrollstellen (20mal) gab es sehr gute Verpflegung, ich habe überall eine vollständige Mahlzeit eingenommen. So viel habe ich auf einem Brevet noch nie gegessen. Viele Helfer, alle immer sehr freundlich und hilfsbereit.

Es gab auch überall viele Patrouillenfahrzeuge des Veranstalters. Einmal durfte ich auch helfen – einer der Patrouilleure hielt mich an, ob ich eine Nachricht zur nächsten Kontrolle mitnehmen könnte. Wie so oft konnte man dort nicht telefonieren (das Handynetz in England ist tatsächlich viel schlechter als in Deutschland, auch innerorts), und er durfte seinen Bereich nicht verlassen.

Mitfahrer

Petra, Hund, Wohnmobil und ich haben uns am Vortag auf dem naheliegenden Campingplatz eingerichtet – wie viele andere Teilnehmer auch. Wie üblich haben mich einige mit „Hallo Wolfgang“ begrüßt (es werden immer mehr), und wie üblich hatte ich bei den meisten keine Ahnung mehr, wer das sein könnte … Direkt neben uns lagerte Harald aus Hamburg mit Familie, dann waren da Cornelius und Stefan. Und Herbert aus Hamburg, für den dieses das allererste Brevet überhaupt war – mit einem 2×7-Gang-Stahlrad von etwa 1991. Bei Edinburgh haben wir uns wieder gesehen, es lief gut bei ihm. Jörg Haberlah war auch da, der vor 2 Jahren in Paris 2 Minuten nach mir startete und 2 Minuten nach mir ins Ziel kam.

Dann war da noch Alexander Neumann, der wie üblich ein Video gemacht hat. Von hinten bin ich da auch ein bisschen zu sehen, er bittet gerne Mitfahrer, Zusatz-Motiv zu spielen. Etwa bei Minute 11 der Aufnahme. Gelbe Satteltasche.

Es war sehr interessant, sich mit Hamid Akbarian aus Washington, D.C. zu unterhalten, auch über gemeinsame Bekannte.

Zurück auf dem Campingplatz, nach dem ersten Schlaf, nette Unterhaltung mit Gabi und Hermann aus dem Südtirol, sie mit exakt demselben Rad, das ich auch habe (Simplon Kiaro).

Die Strecke

Sehr abwechslungsreich. Meistens Nebenstraßen. Wir fuhren durch einige AONB (Area of National Beauty). Es ging hügelig los, später kamen 100km flach durch die Fens. Dann wurde es wieder sehr hügelig, über Louth zum Humber, den wir über eine lange Brücke querten. Hügelig weiter bis Barnard Castle. Danach fuhren wir über die North Pennines (AONB), ein großes Skigebiet. Über Lockerbie durch große Täler nach Edinburgh. Auf dem Rückweg sind wir aber kleinere Nebentäler gefahren – über Innerleithen und Eskdalemuir. Der Rückweg war sonst identisch, bis auf den Süden. Von St. Ives bis Cambrigde folgten wir einem Gleisbus, die längste und modernste derartige Strecke weltweit: Cambridgeshire Busway. Dann ging es quer durch Cambridge – tagsüber und bei bestem Wetter. Die letzten 100km waren nochmal sehr, sehr hügelig. Unter der Startschneise eines großen Flughafens (Stansted) und über riesige Fahrradbrücken über ein Autobahnkreuz.

Fotos

Erste Kontrolle in St. Ives, River Great Ouse
Wie in Holland … auf dem Rückweg hatte das Wasser Schaumkronen
Barnard Castle School
Gleich geht es in die North Pennines, hinten zu sehen. Der Fleck auf der Kuppe ist ein Radfahrer.
Schon wieder die North Pennines …
Ganz hinten links geht es durch, immer leicht bergauf
An fast allen Kontrollen gab es reichlich frische Milch
die ganze Sammlung: http://www.ollanner-radteam.de/ollanner-buddel-unterwegs-in-europa/
North Pennines – davon gibt es viele Bilder, weil ich des linken Beines wegen oft gehalten habe.
North Pennines, Blick nach Osten
Idyllisches in Alston
der nicht benutzte Fahrschein …
Vielleicht die zukünftige EU – Außengrenze?
nach Lockerbie – Richtung Edinburgh. Ganz hinten am Waldrand sind zwei gelbe Punkte – das sind Mitfahrer.
Edinburgh aus Sicht des Randonneurs – am Südrand, weiter fuhren wir nicht in die Stadt.
Große Täler mit sanften, aber langen Anstiegen
Straße quer durch den Golfplatz, kurz vor Innerleithen
irgendwo in Schottland …
North Pennines abends, Blick nach Süden
Auf dem Rückweg: Anstieg in die North Pennines: Skigebiet
Castle Howard, ganz hinten.
Kontrollheft, Teil 1
Kontrollheft Teil 2